Gehörerhaltung für Musiker und Veranstalter
Als Berufsmusiker oder Betreiber von Veranstaltungsstätten bewegen Sie sich in einem Umfeld, das durch hohe künstlerische und gleichzeitig komplexe akustische Anforderungen gekennzeichnet ist. Musik ist Ihr Kapital – doch Lärm ist eine messbare Gefahr für die Gesundheit und die Karriere.
Die Einhaltung der gesetzlichen Lärmschutzvorschriften (insbesondere der LärmVibrationsArbSchV) ist Pflicht. Doch im Musikbereich erfordert der Gehörschutz eine spezielle, akustisch neutrale Lösung, um die Klangqualität und das musikalische Zusammenspiel nicht zu beeinträchtigen. Wir unterstützen Sie oder Ihr Haus bei der Gefahrenanalyse und der umsichtigen Suche nach Lösungen zur Gehörerhaltung.
Die Lärmbelastung im Musikbereich
Aktuelle Studien, beispielsweise aus der Musikermedizin, belegen die erhöhte Gefährdung von Musikern:
1. Hörverluste: Musiker, die regelmäßig ohne Gehörschutz arbeiten, erleiden signifikant häufiger Hörverluste im Hochfrequenzbereich (3–8 kHz) als Musiker, die konsequenten Gehörschutz tragen, oder nicht lärmexponierte Kontrollgruppen. Die Doktorarbeit von Julia Holstein [1] belegt: "Laienmusiker im Pop-/Rockmusikbereich erlitten signifikant mehr Hörverluste als Musiker, die regelmäßig einen Gehörschutz trugen oder als eine nicht lärmexponierte Kontrollgruppe."
2. Tinnitus und Überempfindlichkeit: Ein signifikanter Anteil der Musiker leidet unter Tinnitus und reagiert überempfindlich auf Lärm [1].
3. Abgrenzung Lärm vs. Sound: Dr. Patrick Kurtz (BAUA) [2] weist auf die grundlegende Problematik hin: "Noise is a by-product. Sound is the product." Im Musikbereich muss die Lärmminderung erfolgen, ohne das eigentliche Produkt – den Sound – zu zerstören.
Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Präventive Maßnahmen und die konsequente Nutzung von optimiertem Gehörschutz sind zwingend erforderlich, um Langzeitschäden (Lärmschwerhörigkeit) zu verhindern.
Gesetzlicher Rahmen, Messtechnik und Beurteilung
Die Grundlage jeder Arbeitsschutzmaßnahme ist die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und der LärmVibrationsArbSchV. Im musikalischen Bereich ist dies aufgrund der dynamischen Pegel und der variierenden Lärmquellen komplex.
Für eine valide Gefährdungsbeurteilung ist eine präzise Lärmmessung unerlässlich. Dabei ist nicht nur der Gesamtpegel wichtig, sondern auch die Frequenzanalyse. Wir berücksichtigen die Vorgaben der VDI 2058 Blatt 3 [3] ("Beurteilung von Lärm am Arbeitsplatz unter Berücksichtigung unterschiedlicher Tätigkeiten"). Diese Richtlinie hilft, die komplexe Tätigkeit von Musikern – die ein hohes Maß an Kommunikation, Konzentration und Hörleistung erfordert – im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung adäquat zu bewerten und damit die Schutzmaßnahmen präziser festzulegen. Voraussetzungen sind u.a. die Immissionsmessung am Ohr: Tragbare Lärmdosimeter oder Präzisions-Schallpegelmesser, die möglichst nah am Ohr des Musikers platziert werden sowie die Berücksichtigung der Dynamik: Die Messung muss die impulsiven und kurzzeitigen Spitzenpegel (z.B. bei Paukenschlägen oder Blechbläsereinsätzen) erfassen, um den Spitzenschalldruckpegel zu bewerten, der die zweite entscheidende Kenngröße darstellt.
Die allgemeinen Lärmschutzvorschriften fordern ab 80 dB(A) die Bereitstellung und ab 85 dB(A) die Benutzung von Gehörschutz. Im Musikbereich muss der Schutz jedoch zwei entscheidende Kriterien erfüllen: 1. Akustisch neutrale Dämmung (Linearität): Musiker benötigen Gehörschutz-Otoplastiken oder Bügelstöpsel, die eine möglichst lineare Dämmung über das gesamte Frequenzspektrum bieten. Dies wird durch spezielle Akustikfilter erreicht, die den Schallpegel gleichmäßig reduzieren, sodass das Originalklangbild erhalten bleibt. 2. Technische & Organisatorische Schallschutz-Maßnahmen: Besonders in Orchestern oder Big Bands ist der Lärmschutz nicht allein durch Gehörschutz zu gewährleisten. Hier sind technische und organisatorische Maßnahmen entscheidend.
Projektbeispiel Deutsche Oper Berlin
Das Projekt SIMOPERA (Simulation und Optimierung raumakustischer Felder am Beispiel der Deutschen Oper Berlin) wurde ins Leben gerufen, um angesichts hoher Schalldruckpegel im Orchestergraben der Deutschen Oper Berlin (DOB) wirksame akustische Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Da generell in Opernhäusern die gesetzlichen Grenzwerte für Lärmbelastung überschritten werden können, mussten Maßnahmen ergriffen werden, die einerseits den Gehörschutz des Orchesters gewährleisten, andererseits jedoch weder die Aufführungspraxis noch die Raumakustik im Zuschauerraum negativ beeinflussen. Das Projekt verfolgte einen hybriden Simulationsansatz, da die komplexe Akustik des gekoppelten Systems aus Graben, Bühne und Auditorium nicht mit einem einzigen Verfahren abgebildet werden konnte: Wellenbasierte Verfahren wie die Finite-Elemente-Methode (FEM) wurden für die präzise Analyse des tieffrequenten modalen Schallfelds im engen Orchestergraben eingesetzt, während Methoden der geometrischen Akustik (Raytracing) für mittlere und hohe Frequenzen dienten. Ergänzt wurden diese Simulationen durch umfangreiche raumakustische Messungen und eine perzeptive Bewertung der Akustik durch die Musiker selbst.
Zur Reduzierung des Schalldruckpegels wurde ein Maßnahmenkatalog vorgeschlagen, der auf einer Kombination aus akustischen und organisatorischen Schritten basiert, da eine deutliche Pegelsenkung nur durch das Zusammenwirken mehrerer Elemente erreichbar ist. Ein Schwerpunkt liegt auf der Reduktion des Direktschalls sehr lauter Instrumente (z. B. Blechbläser) durch die Integration eines eigens entwickelten, filigranen Schallschirms. Dieser besteht aus einem schallabsorbierenden und -dämmenden Unterteil sowie einem neigungsverstellbaren Acrylglas-Oberteil. Zur Verbesserung der akustischen Transparenz und Reduzierung stehender Wellenfelder sind Helmholtzresonatoren zur Dämpfung spezifischer, gemessener tieffrequenter Raummoden (z. B. bei 70 Hz und 85 Hz) sowie breitbandige Tieftonabsorber an Ecken und Kanten vorgesehen. Weitere Maßnahmen umfassen die Reduzierung von Reflexionen durch eine breitbandig absorbierende Auskleidung der Wandflächen, den Einsatz von Reflektorenarrays im Proszenium zur Verbesserung der gegenseitigen Hörbarkeit im Orchester sowie die Nutzung dreieckiger Reflektoren an der Grabenrückwand, um Schall gezielt ins Auditorium zu lenken und akustische Fokussierungen zu vermeiden. Schließlich wurden organisatorische Hinweise zur Optimierung der Orchesteraufstellung gegeben, um durch räumliche Distanzierung und Podeste die gegenseitige Hörbarkeit zu verbessern und die Schallbelastung zu verringern.
[1] Holstein, Julia: Hörprobleme bei Musikern. Dissertation Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, 2008.
[2] Kurtz, Patrick: Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung. Vortrag, 48. Sicherheitstechnisches Kolloquium, Universität Wuppertal, 2008. (Hier zitiert aus: Vortrag-Safe-Sound-2007-02.pdf, S. 8: "Noise is a by-product. Sound is the product.")
[3] VDI Richtlinie 2058 Blatt 3: Beurteilung von Lärm am Arbeitsplatz unter Berücksichtigung unterschiedlicher Tätigkeiten. August 2014.
[4] Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB): Neuester Schallschutz mit Knick - signifikante Verringerung der Schallbelastung. Technologieangebot, 2014.
[5] Chasin, Marshall: Strategies to minimize the potential for music induced hearing loss. Vortrag, Musicians' Clinics of Canada, Januar 2007.
[6] Schlesinger, A., Tschaikner, M., Ochmann, M., Kimmich, J.M., Frank, S., Schlicksupp A. (2019) Reducing the sound exposure level in an orchestra pit by a set of tailored measures, 23rd International Congress on Acoustics (ICA), 9-13 September 2019, Aachen, Germany
